Eine entspannte Geburt, ambulant nach Hause gehen und die kuschelige Anfangszeit gemütlich im eigenen Bett verbringen – so war der Plan. Wieso dann doch alles anders lief, wie meine letzten Wochen mit Babybauch waren und weshalb man keine Geburt mit der anderen vergleichen kann, erzähle ich euch heute.
Die letzten Wochen vor Entbindung
Die Schwangerschaft mit Emilian war wirklich komplett anders, als meine zweite mit Ella. Während ich damals so gut wie keine Probleme hatte und es mir bis zum Schluss richtig gut ging, begleiteten mich beim zweiten Mal von Anfang an immer irgendwelche Wehwehchen. Angefangen mit der klassischen Übelkeit, die nicht nur die ersten 12 Wochen anhielt, sondern mich auch danach immer mal wieder einholte, bis über starke Bauchweh, extreme Wassereinlagerungen, Sodbrennen des Grauens, Symphysenschmerzen und ein Wirrwarr um meinen Blutzuckerwert (erst hieß es, ich hätte eine leichte Schwangerschaftsdiabetes, was sich dann als Fehler herausstellte). Es gab keinen Tag an dem es mir wirklich gut ging, ich hatte so viele kleine Beschwerden und mir ging es oft körperlich einfach richtig schlecht.
Die letzten Wochen waren dann nochmal eine richtige Herausforderung. Ella wurde immer größer und ich hatte wirklich das Gefühl gleich zu platzen. Überall drückte es und in keiner Position konnte ich mehr bequem liegen. Ich schlief schlecht, musste gefühlt alle zehn Minuten auf die Toilette und hatte durch die Wassereinlagerungen keinen Knöchel mehr. Die versuchte ich mit Wechselduschen und Fußreflexzonen-Massagen und Kompressionsstrümpfen in den Griff zu bekommen, allerdings war die Linderung meist nicht von allzu langer Dauer.
Das Thema Schwangerschaftsvergiftung & Einleitung
Zwei Wochen vor der Geburt ging es mir dann plötzlich immer schlechter, mein Blutdruck war viel zu hoch und ich musste engmaschig kontrolliert werden, um eine Präeklampsie – also eine Schwangerschaftsvergiftung – auszuschliessen. Ich sollte dann die Einnahme von Magnesium erhöhen und mein Frauenarzt sprach das erste Mal das Thema Einleitung an. Eine Einleitung? Das kam für mich bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich gar nicht in Frage. Ich wollte unbedingt, dass es natürlich los geht und war auch überzeugt davon, dass mein Körper weiß, wann das Baby bereit ist zu kommen. Doch dadurch, dass es mir immer schlechter ging und Ella schon so groß und schwer war (er schätzte sie am Tag des ETs auf 3800 Gramm) meinte er, dass er spätestens nach einer Woche einleiten würde. Das musste ich erstmal verdauen. Ich wollte natürlich kein Risiko eingehen, weder für mich noch für das Baby, aber ich hatte mich mit dem Thema Einleitung ehrlich gesagt nicht wirklich beschäftigt.
Nach reiflicher Überlegung entschieden wir uns dann, bei ET+4 die Wehen mit einem Rizinus-Cocktail auf sanfte Art ein wenig anzustupsen. Ich versuchte das nicht im Alleingang zuhause, sondern im Krankenhaus gemeinsam mit einer Hebamme. Mein Mann fuhr mich hin, wartete im Auto und wollte mich dann eigentlich wieder mit nach Hause nehmen. Die Hebamme mischte mit den Drink und ich sollte im Anschluss eine Stunde spazieren gehen um sicher zu stellen, dass es mir gut geht. Als ich ausgetrunken hatte und aufgestanden bin merkte ich, dass meine Hose nass wurde. Allerdings nicht so viel, dass ich das direkt mit meiner Fruchtblase in Verbindung brachte. Als ich dann allerdings mit meinem Mann spazieren ging wurde es immer mehr und ich meinte: „also entweder meine Fruchtblase ist gerissen oder es ist jetzt schon so weit, dass ich mir unkontrolliert in die Hose gemacht habe.“ Wir entschieden uns zurück zu laufen und das abzuklären. Die Hebamme stellte dann fest, dass es tatsächlich Fruchtwasser war. Mein Körper hatte sich also genau in dem Moment, als ich beschloßen hatte den Rizinus-Cocktaill zu trinken entschieden, dass es von alleine los gehen soll.
Es geht los!
Das hieß für mich natürlich: im Krankenhaus bleiben und abwarten ob ich Wehen bekomme. Zum Glück hatte ich meine Kliniktasche dabei und war auf alles vorbereitet. Ich musste einen PCR- und einen Schnelltest machen und konnte dann mein Zimmer beziehen, um noch ein wenig Ruhe zu bekommen. Ich legte mich auch direkt ins Bett (mittlerweile war es schon 22 Uhr), denn ich wusste, dass ich meine Kraft für die anstehende Entbindung brauchen werde. Um 2 Uhr in der Nacht wurde ich dann schon von relativ starken Wehen wach. Sie kamen alle zehn Minuten und ich machte mich langsam bereit in den Kreissaal zu gehen, damit sich mein Mann (und auch der Frauenarzt, der noch zuhause war) noch rechtzeitig auf den Weg machen konnten. Als um 3 Uhr die Wehen bereits alle drei Minuten kamen ging ich zum Kreißsaal, wir riefen meinen Mann an und ich hatte schon Mühe die Wehen zu veratmen. Es ging alles so schnell und der Schmerz war so heftig, damit hatte ich nicht gerechnet. Mein Mann kam um 3.45 Uhr an, musste kurz warten, einen Schnelltest machen und stand mir dann ab 4.30 Uhr zur Seite.
Die Wehen wurden immer heftiger und ich konnte mich kaum noch auf etwas anderes konzentrieren. Ich hatte ein Wärmekissen im Rücken und saß auf einem Gymnastikball, um meine Schmerzen in den Griff zu bekommen, aber es war richtig heftig. Irgendwann fragte ich meine Hebamme nach einem Schmerzmittel, sie schlug mir drei Sachen vor, die man über die Infusion geben konnte und ich entschied mich für das stärkste. Doch leider merkte ich überhaupt gar nichts von der Wirkung, ich hab sie dann gefragt, ab wann man denn eine Linderung bemerkt oder ob sie mir ein Placebo gegeben hätte, da die Schmerzen einfach unerträglich wurden und keine Besserung in Sicht war. Bis ca. 5.20 Uhr hatte ich zwischen den Wehen gerade mal noch 30 Sekunden Pause und ich konnte schon nicht mehr. Mein Mann war total hilflos, da er mir nicht helfen konnte in diesem Moment. Er hat versucht mich abzulenken, hat mir immer wieder etwas zu Trinken gereicht und mir gesagt, dass ich mir danach eine schöne neue Handtasche verdient habe (die übrigens immer noch aussteht!). Er wollte mir den Nacken massieren, damit ich mich entspannen kann, aber in dem Moment konnte ich irgendwie keine Berührungen ertragen, ich hab am ganzen Körper geschwitzt und alles tat mir weh. Ich war so erschöpft, da sich in dieser kurzen Zeit mein Muttermund rasend schnell öffnete und diese heftigen Wehen mich einfach platt gemacht haben. Ich wollte nun unbedingt eine PDA haben, ich dachte ich schaff es keine Minute länger das auszuhalten.
Presswehen ohne PDA – Halleluja!
Es kam wie es kommen musste: die Hebamme meinte es wäre zu spät für eine PDA. Mein Betteln und Bitten haben nichts gebracht, ich hab keine mehr bekommen! Ich bin zwar der festen Überzeugung, dass noch genug Zeit gewesen wäre, aber es gibt denke ich einfach Hebammen, die nicht so große PDA-Fans sind (auch das Schmerzmittel per Infusion wurde mir anfangs ausgeredet). Ich war total sprachlos, ich konnte schon nicht mehr und wusste nicht wie ich die Presswehen durchstehen sollte. Es dauerte dann nicht mehr allzu lange und die Presswehen gingen los. Ich probierte von Anfang an direkt im Vierfüßlerstand zu entbinden, da ich mit der Schwerkraft arbeiten wollte. Ab hier kann ich mich wirklich nicht mehr an alles erinnern, denn ab der zweiten Presswehe war ich glaube ich komplett weggetreten. Dieser Schmerz machte mich einfach total Ohnmächtig. Ich hörte alles um mich herum nur noch wie durch Watte und war zu nichts mehr in der Lage. Ich erinnere mich noch daran, dass der Arzt dann kam und absolut geschockt war, als er sah in welcher Verfassung ich war. Er wollte sofort, dass ich Sauerstoff bekomme und mein Mann drückte mir dann die Sauerstoffmaske ins Gesicht.
Um 6.00 Uhr war Schichtwechsel der Hebammen, allerdings wollte meine Hebamme nicht einfach gehen und so hatte ich die Unterstützung von beiden. Der Arzt meinte ich solle eventuell mal eine andere Position versuchen, die angenehmer für mich wäre also versuchte ich mich umzudrehen. Gar nicht so leicht mit einem dicken Klops so groß wie eine Wassermelonen zwischen deinen Beinen und halb ohnmächtig, das sag ich euch. Die Hebammen und mein Mann mussten mich dann umdrehen aber ich wollte sofort wieder zurück, denn die Schmerzen waren so noch viel schlimmer. Als dann ca. 40 Minuten vergingen und ich immer weniger Druck in den Wehen hatte wurde der Arzt langsam nervös. Ella hatte einfach so einen großen Kopf und ich war zu erschöpft – ich hatte keine Kraft mehr zum Pressen und hab sie einfach nicht raus bekommen. Der Arzt gab mir irgendwelche Infusionen und nochmal Sauerstoff aber es brachte nichts.
Plötzlich sagte die neu dazu gekommene Hebamme zu mir: „Patrizia, wenn du das Kind in den nächsten zwei Wehen nicht rausdrückst müssen wir nochmal die Position wechseln.“ Das war wie ein Weckruf für mich, ich war so geschockt, denn mich nochmal Umdrehen, das hätte ich nicht geschafft. Ich dachte mir egal wie schmerzhaft es jetzt wird – press um dein Leben! Also hab ich den ganzen Schmerz in Kraft umgewandelt und so fest ich nur konnte gedrückt und geschrien. Der Kopf war nun da. Jetzt mussten noch die Schultern rauskommen. Ich dachte mir wenn ich jetzt nochmal alle Kraft reinstecke hab ich es endlich geschafft also presste ich so fest ich konnte. Ich merkte plötzlich wie alles brannte – ich wusste sofort, dass ich gerissen sein muss. Aber es hatte sich gelohnt! Endlich geschafft, die kleine Maus war da! Mit stolzen 4180 Gramm und 55 Zentimetern erblickte sie das Licht der Welt.
Endlich geschafft
Meinem Mann kamen sofort die Tränen, ich konnte die ersten Sekunden erstmal gar keine Emotionen zeigen, da ich wie gelähmt von dieser Geburt war. Ich war so erschöpft und gleichzeitig glücklich dass es vorbei war. Doch dann ging alles wieder ganz schnell, der Arzt wollte mich nähen als ich plötzlich enorm viel Blut verlor. Alle um mich herum wurden hektisch und wirbelten herum mit Tupfern, Tüchern und Spritzen. Ich erspare euch hier die Details, nur so viel: der Arzt meinte, er hätte noch nie so viel Blut im Kreißsaal gesehen.
Wir durften zum Glück ein Familienzimmer beziehen und ich war unglaublich froh, dass mein Mann an meiner Seite war – emotional und auch um mir zu helfen, denn ich konnte die ersten Tage gar nicht aufstehen. Die Schwestern auf der Wochenbettstation waren so unglaublich süß, ich hab mich trotz der Umstände so wohl gefühlt und sie haben mir auch so toll beim Stillen geholfen. Ella ging es den ersten Tag nicht so gut, auch für sie war diese Geburt natürlich sehr anstrengend. Sie hatte einiges an Fruchtwasser geschluckt und ihr war die ganze Zeit so schlecht, dass sie permanent Fruchtwasser ausspuckte und ich sie überhaupt nicht anlegen konnte. Am zweiten Tag ging es ihr etwas besser, aber sie war noch ganz schwach. Erst am dritten Tag konnte ich sie richtig anlegen. Auch der Arzt war so lieb, er kam oft vorbei um nach mir zu sehen und entschuldigte sich auch zweimal bei mir wie alles gelaufen ist, denn er hätte ein paar Dinge anders entschieden, wenn er früher da gewesen wäre.
Aus meinem Plan ambulant nach Hause zu gehen wurde natürlich nichts, ich konnte mich die ersten drei Tage nicht mal hinsetzen, geschweige denn laufen. Wie hilflos man da ist und was das alles nach sich zieht (ich sag nur Thema Toilette :D) wurde mir da erst wieder so richtig bewusst. So richtig besser ging es mir erst nach einer raketenmäßigen Eisen Infusion und ich war total dankbar, dass ich langsam wieder selbstständig Dinge erledigen konnte.
Anstrengende Schwangerschaft, anstrengende Geburt, Traumkind
Fünf Wochen ist die Entbindung nun her und ich kann nur das sagen, was glaube ich alle Mamas sagen: man vergisst das Negative schnell. Irgendwie hatte ich schon vermutet, dass die Geburt anders werden würde als bei Emilian (die Beiträge zu meiner ersten Schwangerschaft findet ihr übrigens HIER). Ich hab immer gesagt, dass ich nach dieser anstrengenden Schwangerschaft bestimmt auch eine anstrengende Entbindung haben werde und ich dann ein entspanntes Kind verdient hätte. Und ich hab Recht behalten, denn Ella ist bis jetzt das genaue Gegenteil von ihrem Bruder als Baby: ausgeglichen, zufrieden und entspannt. Sie weint wenig, schläft gut und ist wirklich traumhaft. Ein richtiges Anfängerbaby. Ich ertappe mich ganz oft dabei, wie ich mich manchmal am liebsten kneifen würde um zu realisieren wie viel Glück wir haben. Emilian ist auch der süüüüßeste Bruder, den man sich vorstellen kann. Er ist so liebevoll zu ihr, es gab noch keine einzige Sekunde Eifersucht, im Gegenteil. Ich hatte mir vorher so viele Gedanken gemacht, wie ich beiden Kindern gerecht werde und wie wir es schaffen, dass Emilian sich nicht „abgeschoben“ fühlt durch die Aufmerksamkeit die das Baby bekommt. Bis jetzt klappt alles super, er unterstützt mich ganz toll und ich könnte mir keinen besseren Altersunterschied vorstellen.
Der weibliche Körper ist wirklich ein Wunder, was er (er)erschafft, was er aushält, wie er sich anpasst und wieder zurückbilden kann. Ich bin wirklich dankbar, dass ich dieses Wunder ein zweites Mal erleben durfte bzw. erleben darf und dass wir dieses Geschenk bekommen haben. Noch einmal ein kleines Wunder in seinem Bauch spüren, noch einmal diese Magie der ersten Begegnung, der magischen Anfangszeit erleben, noch einmal das Gefühl sein Kind Stillen zu können und diese Liebe zu verspüren. Da macht sich einfach eine große Dankbarkeit in mir breit, denn das alles ist nicht selbstverständlich.
Alles Liebe
eure Pazi
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