Eltern werden: Zwei Menschen lieben sich, aus ihrer Liebe entsteht neues Leben und sie werden eine Familie. Ein besonderes Erlebnis, dass sie für immer verbindet. Eine tolle Vorstellung. Man sieht glückliche Pärchen beim Spaziergang mit Kinderwagen, auf den Bildern in Instagram und Co. strahlen einem niedliche Familien-Selfies entgegen, alles sieht immer unglaublich harmonisch aus – ein Baby scheint das Glück perfekt zu machen. Eigentlich ist das auch so! Doch mit der Geburt ändert sich plötzlich alles, auch in der Partnerschaft.
Laut einer Untersuchung der amerikanischen Universität in Denver verschlechtern sich neun von zehn Beziehungen, nachdem der Sprössling auf der Welt ist. Frust statt Freude steht dann an der Tagesordnung. Doch wie ist das möglich? Dieser Frage möchte ich heute auf den Grund gehen und von meinen Erfahrungen berichten.
Irgendwie scheint das ein kleines Tabuthema zu sein, über das keiner so wirklich reden möchte. Natürlich will man als frisch gebackene Mama sein Glück nicht mit so etwas Negativem überschatten, dennoch ist es keine Schande zuzugeben, dass man sich mal über den Partner ärgert.
Drei ist keiner zu viel
Bisher konnte man seine Zeit aufteilen für den Partner, die Arbeit, Freunde, Hobbies und der eigenen Freiheit. Jetzt ist plötzlich ein Zwerg da, der 24 Stunden volle Aufmerksamkeit braucht. Und dieser Zwerg ist auch noch völlig unberechenbar. Er hält sich nicht an feste Zeiten, sondern weint meistens genau dann, wenn man gerade etwas anderes erledigen wollte. Man kann plötzlich nicht mehr einfach sagen: „Machen wir uns doch einen gemütlichen Sonntag im Bett“, denn das Baby liegt nicht zehn Stunden brav neben einem und relaxed.
Die wenige Zeit, die (zumindest am Anfang) neben dem Baby bleibt, muss also gut aufgeteilt werden. Doch wie genau? Es gibt schließlich noch den Haushalt, Freunde, Hobbies und natürlich den Partner. Da man sich nicht in Stücke reißen kann, ist man mit Kind und Haushalt gut beschäftigt, genügend Zeit für Zweisamkeit bleibt da selten. Doch gerade nach all dem Windeln wechseln, Spuktücher waschen und Baby beruhigen hat man eine herzliche Umarmung oder ein paar Zärtlichkeiten dringend nötig.
Wichtig ist deshalb, dass man sich Zeit füreinander einräumt, auch wenn es nur zehn Minuten sind, zum Beispiel kurz vor dem zu Bett gehen oder am Frühstückstisch. Zeit, die man ganz bewusst gemeinsam genießt. Das tut der Beziehung einfach gut.
Der weibliche Körper
Was leider auch oft auf der Strecke bleibt, ist genügend Zeit für sich selbst. Die tägliche Beauty-Routine wird aufs nötigste beschränkt, man ist plötzlich froh, wenn man es überhaupt nach der Dusche noch schafft, die Haare zu föhnen und verzichtet auf Make-Up, da man sich sowieso nur draußen aufhält, um Spazieren oder Einkaufen zu gehen. Dresscode ist dann auch eher Jogginghose als Jeans und High Heels. Meistens findet es der Partner gar nicht schlimm, aber man selbst möchte eigentlich nicht zu einer dieser Mütter werden, die sich total gehen lassen. Dazu kommt, dass der Körper direkt nach einer Schwangerschaft nicht gleich aussieht, wie zuvor – all das führt dazu, dass man mit sich, seinem Aussehen und der allgemeinen Situation nicht wirklich zufrieden ist.
Man sollte nie aus den Augen verlieren, dass man nicht nur Mama, sondern auch Frau ist. Deswegen sollte man sich trotz all dem Trubel auch mal eine Auszeit gönnen, um sich zu pflegen und etwas für sich selbst zu tun. Denn wenn man sich schön und attraktiv fühlt, strahlt man das aus und verhält sich viel selbstbewusster.
Unterschiedliche Vorstellungen
Oft treten nach der Geburt die ersten Konflikte auf, weil man unterschiedliche Vorstellungen hat. Zehn Monate (ja die Schwangerschaft dauert ganze zehn Monate) hatte man Zeit, sich auf nahezu alles vorzubereiten, über den Alltag, die Kindererziehung oder die Rollenaufteilung wird allerdings oft nicht gesprochen. Dabei sind genau das die Punkte, die schnell kleine Krisen auslösen können. Mütter fühlen sich oft nicht gut genug untersützt, Väter hingegen schnell ausgegrenzt, weil sie nicht so viel für den Zwerg tun können.
Es klingt trivial, aber es ist wichtig: miteinander reden! Am besten schon vor der Geburt, damit eventuelle Reibungspunkte schon einmal angesprochen und im besten Fall beseitigt werden können.
Life goes on
Während die Mamas sich meistens nur noch in ihrem Baby-Kosmos bewegen und ihren Tagesablauf ganz auf den Sprößling abstimmen, geht für die Papas der Alltag weiter. Das heißt sie müssen morgens aufstehen, arbeiten gehen und kommen erst abends wieder nach Hause. In unserem Fall ist es besonders wichtig, dass mein Mann fit ist, denn er ist Sportler und muss jeden Tag seine Leistung bringen. Wenn es dann nachts mal wieder etwas lauter wird, weil Emilian schmatzt, drückt oder total laut an der Brust trinkt, dann wandert der Papa ins Gästezimmer aus. Auf der einen Seite versteht man das natürlich, auf der anderen Seite möchte man auch nicht immer alleine schlafen. Dann hat man nämlich noch weniger voneinander.
All das führt oftmals zu einer Unzufriedenheit, die man sich aus falscher Scham nicht traut anzusprechen. Aber das ist genau der falsche Weg. Das wichtigste dabei ist nämlich das Gespräch mit dem Partner. Manche Dinge sind Missverständnisse und können aus dem Weg geräumt werden, in manchen Punkten gehen die Meinungen ausseinander und man muss seine Argumente niederlegen. In einigen Sachen wird man sich eventuell auch nicht einig, dann muss man einen Kompromiss finden. Das ist aber nicht schlimm, daran wächst eine Beziehung.
Wie ist es bei uns?
Sich mit meinem Mann zu streiten ist fast so schwer, wie im Lotto zu gewinnen. Er ist nie sauer, flippt aus oder meckert an irgendwas herum. Meistens ist er tiefenentspannt und lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. So kommt es auch, dass wir uns wirklich (unglaublich!) noch nie gestritten haben. Bis auf einmal. Denn die ganzen Punkte, die ich oben angesprochen habe, sind auch nicht ganz spurlos an uns vorbei gegangen. Nach einem klärenden Gespräch war alles wieder gut, aber schön ist natürlich was anderes.
Ich persönlich habe einen Weg gefunden, damit umzugehen. Wo es nur geht, versuche ich uns Zeit einzuräumen. Ganz wichtig finde ich gemeinsame Mahlzeiten, bei denen man sich ein bisschen vom Tag erzählen kann und zum Quatschen kommt. Zeit zum Reden nutzen wir auch, wenn wir gemeinsam mit Emilian und Anton spazieren gehen. Ausserdem versuche ich mich jetzt jeden Tag so herzurichten, als würde ich in die Arbeit gehen. Besonders für mich, weil es mir Spaß macht und damit ich mich attraktiv fühle und für meinen Mann, damit er nicht denkt, dass ich mich gehen lasse, da wir jetzt eh verheiratet sind:) Am wichtigsten sind aber immer noch ehrliche Worte, auch wenn sie manchmal hart sind. Das schöne an einer Beziehung bzw. einer Ehe ist doch, dass man so sein kann, wie man ist und dem Partner alles anvertrauen kann. Deswegen sollte man seine Sorgen, Ängste und auch seine Unzufriedenheit offen ansprechen. Liebe Mamas, wenn ihr also gerade denkt, euch wächst alles über den Kopf und euer Partner unterstützt euch nicht genug oder ihr fühlt euch nur noch wie eine Nanny, weil man keine Zweisamkeit mehr hat, dann denkt immer daran: ihr seid nicht alleine! Vielen frisch gebackenen Eltern geht es ganz genau so, auch wenn sie es nicht sagen. Schnappt euch euren Mann und redet darüber, danach fühlt ihr euch besser.
Womöglich lacht man als Paar irgendwann über die Problemchen, mit denen man am Anfang zu kämpfen hatte. Doch diese kleinen Steine im Leben gehören auch dazu und sie müssen nicht totgeschwiegen werden. Eine Ehe (oder eine Beziehung) ist kein Bund, den man einmal eingeht und dann für immer alles paletti ist. Beide Seiten müssen daran arbeiten, dass es immer so schön bleibt, wie es ist. Eine Arbeit die Spaß macht, weil sie für die Familie ist.
Auf der anderen Seite wird die Liebe zum Partner durch die Liebe zum gemeinsamen Kind natürlich noch größer. Jedes Mal, wenn ich sehe, wie mein Mann mit unserem Sohn umgeht, bin ich ganz gerührt und überglücklich. Oft denke ich mir: „Wow, das ist aus unserer Liebe entstanden“ und suche nach Merkmalen, die mir oder ihm ähnlich sehen. Durch die Geburt hat man plötzlich ein ganz anderes Empfinden und spürt eine Liebe, die viel stärker ist, als alles, was man zuvor empfunden hat.
Jo says
Liebe Pazi,
toll, toll, toll! Ich hoffe, das lesen viele Mamis und nehmen es sich zu Herzen. „Nicht nur Mama,sondern auch Frau…“ – das sollte man wirklich nie vergessen.
Wunderschön geschrieben und Hut ab vor Deiner Ehrlichkeit:)
Seni says
Du sprichst mir mal wieder aus der Seele liebe Pazi!
Tami says
Pazi.. ich find dich einfach super! Deine Ehrlichkeit.. dein Humor.. einfach das was du schreibst 🙂
Ich als „Bald-Mami“ lese deine Kolumne total gerne und freue mich jedes mal über neue „Berichte“ 🙂
Mach weiter so ..
Jenny says
Danke für deine Ehrlichkeit!
Bei uns dauert es zwar „noch einen Moment“, aber ich glaube auch wir werden davor nicht verschont bleiben!
Schön, dass es einfach mal jemand sagt!
LG Jenny
Rebecca says
Was für ein toller Text … Ich saß gerade bei meinem sohn am Bett und musste mir en paar Tränchen verkneifen, weil ich mich einfach alleine fühle … mein Mann hat nen super Job und kommt abends spät – des ist auch kein Problem – da wächst man rein, aber zur Zeit sind wir oft am WE noch alleine und an den freien Tagen – da muss man echt stark sein … aber ohne Schminke geh ich nie aus dem Haus – des gehört einfach dazu … so fühl ich mich super und man soll es auch für sich tun …
ich glaube solche Probleme haben viele. aber ich denke Männer Sehens net so wie wir … Danke !
Vera says
Oh wow, so toll geschrieben! Ich hatte wirklich Tränen in den Augen.
Klingt, als würdest du das ganz toll hinkriegen, ich finde es super, dass du offen darüber sprichst!
LG Vera