Sein Kind zu Küssen ist das Normalste auf der Welt, oder? Das dachte sich auch Victoria Beckham und postete einen Schnappschuss bei Instagram, auf dem sie ihrer kleinen Tochter Harper zum Geburtstag einen Kuss auf den Mund gibt. Kaum war das Bild im Netz, fiel ein Shitstorm über sie her. Im Rahmen unserer #MamiMitWort-Gruppe wollen wir dieses Thema unter die Lupe nehmen und unsere Meinungen dazu äußern. Was ich davon halte und wie ich es in meiner Familie handhabe, erfahrt ihr heute.
Zunächst einmal habe ich mich gefragt, was das Argument der Kuss-Gegner ist und wieso das Bild auf soviel Ablehnung stößt. Liest man die Kommentare unter dem Bild, dann findet man tatsächlich Wörter, wie „ekelhaft“, „falsch“ und „unanständig.“ Eine Frau schrieb sogar darunter, dass sie es in Ordnung fände, da ihre Tochter noch nicht so alt wäre, sie es aber nicht gut fände, wenn sie älter wäre. Spätestens bei diesem Kommentar fiel mir die Kinnlade runter. Sobald ein Kind ein gewisses Alter hat, darf man es also nicht mehr küssen?
Sexualisierung der Thematik
Als ich das erste Mal davon hörte, dachte ich eigentlich, dass es darum geht, ob es gesundheitlich korrekt wäre, sein Kind auf den Mund zu küssen. Denn in der Tat stellt zum Beispiel eine Herpesinfektion ein hohes Risiko für ein kleines Kind dar. Doch darum geht es den meisten Hasskommentatoren gar nicht. Ich finde es ganz arg schlimm und auch erschreckend, dass so ein süßes Bild, auf dem nichts weiter zu sehen ist, als die große Liebe einer Mutter zu ihrer Tochter, so sexualisiert wird.
Psychologischer Aspekt
Rein psychologisch betrachtet, ist es sogar wichtig, dass Kinder die elterliche Liebe erfahren. Besonders kleine Kinder haben ein enormes Grundbedürfnis nach Nähe, Liebe und Körperkontakt. Das betrifft natürlich nicht nur Küsse, sondern auch Umarmungen, liebe Worte und Zuneigung in jeglicher Form. Nur wer das in seiner Kindheit erfahren hat, kann später mit seinen Emotionen umgehen, eine gute Beziehung führen und auf andere Menschen zugehen. Wird Kindern das verwehrt, leiden sie oft unter einem mangelnden Selbstwertgefühl, Selbstzweifel und geben das leider oft wieder genau so an ihre Kinder weiter. Emotionen zulassen und zeigen ist also ein wichtiger Punkt, wenn es darum geht, sein Kind zu einer selbstbewussten und starken Person zu erziehen.
Abgesehen davon, was psychologisch richtig ist und was nicht: Ich könnte mir jedenfalls nicht vorstellen, Emilian nicht zu küssen. Wenn er morgens aufwacht, seine Haare so süß verstrubbelt sind und er ganz schläfrig guckt, dann drücke ich ihm erstmal einen dicken Schmatzer auf die Backe. Ich finde es übrigens vollkommen egal, ob es der Mund, die Backe oder sonst eine andere Körperstelle ist. Er genießt jede Zärtlichkeit von mir und ich kann daran nichts sexuelles erkennen. Ich liebe seine weichen Bäckchen, deswegen küsse ich ihn oft darauf. Der Gute-Nacht-Kuss ist bei uns auch ein festes Ritual, neben mir bekommen noch der Papa und die beiden Steiff-Löwen einen, bevor es ins Land der Träume geht.
Wir küssen uns nicht nur, wir baden auch zusammen, liegen manchmal nackt im Bett und kuscheln oder ich kraule Emilians Rücken, während er nackig auf dem Sofa liegt. Alles ganz natürliche und wunderschöne Familienmomente, die wir sehr genießen. Nicht im Traum würde ich daran denken, dass so etwas verwerflich ist. Böse ist in diesem Moment nur, wer Böses denkt.
Sensibler Umgang mit dem Thema
Ich finde natürlich trotzdem, dass man mit dem Thema sensibel umgehen muss, da es immer wieder Fälle gibt, in denen Leute die Gutmütig- und Gutgläubigkeit der Kinder für ihre Zwecke ausnutzen. Kindesmissbrauch passiert häufig im Bekannten- oder Familienkreis (und auch hier sind Kinder, die emotionale Kälte erfahren, oft besonders gefährdet, da sie auf der Suche nach Liebe manchmal an den Falschen geraten oder sich aus mangelndem Selbstbewusstsein nicht trauen, nein zu sagen). Emilian muss niemanden küssen bzw. ein Bussi geben, dem er keins geben möchte. Egal, wer vor ihm steht – auch wenn er mir keins geben will, dann ist das vollkommen legitim und seine Entscheidung wird respektiert.
Ihr kennt doch bestimmt diese Situation, wenn man auf Familienfesten ist und Tante Hilde oder Onkel Herbert dann sagen: „Ach komm, gib der Tante/dem Onkel doch mal ein Bussi“ – obwohl man die Personen vielleicht gerade einmal im Jahr sieht. In dem Moment schreite ich immer ein, denn mein Kind muss niemanden küssen, wenn er es nicht will. Ich möchte, dass Emilian schon jetzt spürt, dass er einen eigenen Willen hat und dass dieser respektiert wird.
Ich finde, dass dieses Thema ziemlich umfangreich ist, aber zusammenfassend würde ich sagen, dass es nichts verwerfliches ist, sein Kind auf den Mund zu küssen. Im Gegenteil, Liebe und Zuneigung zwischen Eltern und dem Kind oder den Kindern ist sogar sehr wichtig. Trotzdem sollte man sehr sensibel mit dem Thema umgehen und dem Kind klar machen, dass es sich nicht von jedem auf den Mund küssen lassen muss, wenn es das nicht möchte.
Mich würde wahnsinnig interessieren, wie ihr das handhabt oder vielleicht in eurer Kindheit erfahren habt. Hinterlasst mir doch einen Kommentar und erzählt mir davon. Wenn ihr noch mehr Meinungen zu diesem Thema lesen wollt, so schaut doch mal bei Ari und Katharina vorbei. Nächsten Mittwoch gibt es dann auch den Post von Christina dazu.
Feli says
Liebe Pazi,
Du sprichst mir aus der Seele. Mir hat es bei den ganzen Haterkommentaren regelrecht die Nackenhaare aufgestellt.
Es gibt doch nichts schöneres und liebevolleres als Zärtlichkeiten zwischen Eltern und Kind. Weiß Gott, es gibt leider immer die Handvoll Ausnahmen, aber ansonsten ist das nichts, als bedingungslose Liebe. Pfui, wer da direkt was sexuell Verwerfliches hinein interpretiert.
Meine Maus ist jetzt 3 Wochen alt und ich bin sie ständig am abbusseln. Das wird ihr sicherlich irgendwann zu viel 🙂 aber das wird sie mir dann zeigen.
Und ich finde deine Einstellung genau richtig, möchte das Kind kein Bussi verteilen, muss es das auch nicht. Schon gar nicht der komischen Tante XY, die man eh nie sieht.
Darauf hab ich meiner Kleinen direkt einen dicken Schmatzer aufs süße Goscherl gegeben!
Pazi says
Ganz genauso sehe ich das auch:)
Ulrike says
Liebe Pazi, dein Text gefällt mir sehr gut und trifft genau meine Meinung! Ich persönlich drücke meinem kleinen Sohn auch lieber einen Schmatzer auf die Wange aber wer gern auf den Mund küsst, soll das auch gerne tun!
Und wie du schon sagst: Böse ist, wer Böses dabei denkt! Schlimm, wenn eine Diskussion unter einem Foto voller Mutterliebe eine solche Richtung annimmt.
Liebe Grüße
Pazi says
Danke liebe Ulrike, genauso sehe ich das auch. Liebe Grüße
Jasmin H says
Ich versteh solche Diskussionen auch immer nicht. Glaube aber dass es ein bißchen was mit der Kultur und wie man aufgewachsen ist zu tun hat. Für mich ist das auch völlig normal Kinder (meine Nichten) auf den Mund zu küssen. Und für sie auch, weil man ist so aufgewachsen. Ich hatte auch mal so eine Diskussion verfolgt in einem Forum, als es um YouTube vlogger ging die auch ihr Kind auf den Mund geküsst haben. Ich fand die Argumentation auch übertrieben, habe aber auch rausgehört, dass es für die, die dagegen waren, einfach nicht dazugehört, weil sie es so nie hatten und auch nicht machen. Schon interessant, wie es für einige völlig normal ist und andere gleich sonstwas denken, weil es in ihrer Kultur eben nicht normal ist und gleich Alarmglocken schrillen lässt. Ich küsse meine Eltern immernoch auf den Mund bei manchen begrüßungen. Ist einfach so und ich hab mir noch nie Gedanken gemacht 🙂
Gruß Jasmin
Pazi says
Ja ich denke da hast du Recht, so wie man es als Kind beigebracht bekommt, so gibt man es einfach weiter bzw. so teilt man in Gut/Böse ein.
Julia Gerngroß says
Also Jonas ist jetzt 4 Monate alt und er bekommt die ganze Zeit Küsschen- auf die Backe, manchmal auch auf den Mund , das ist doch normal :-))
Pazi says
Finde ich auch:)
blogdiver says
Also ich bin jetzt 19 Jahre alt und beide Elternteile bekommen immer noch einen Kuss auf den Mund! Sehe darin in keinem Alter irgendetwas verwerfliches 🙂
Pazi says
Bei uns ist das auch heute noch so:)
Helena says
Ein wirklich toller Artikel! Ich selbst erwarte in den nächsten 4 Wochen mein erstes Kind unseren Sohn. Ich habe schon oft darüber nachgedacht wie ich damit umgehen werde da er ja schließlich ein Junge ist, aber im gleichen Moment habe ich mir jedesmal gedacht das ich da keine Unterschied machen werde. Ich bin damit groß geworden meinen Eltern einen Kuss zu geben. Ich könnte als kleines Mädchen teilweise nicht einschlafen wenn ich es mal vergessen hatte und keinen gute Nacht Kuss meiner Eltern bekam. Genau wie du es auch beschreibst möchte ich aber auch das mein Kind weiß das es niemanden küssen muss wenn er das nicht will. Ich bin sehr offen erzogen worden und bin damit sehr glücklich und so werde ich auch mein Kind erziehen. Ich habe oft jetzt schon als werdende Mama das Gefühl das man in der Mutterrolle in Augen anderer oftmals eh nur Fehler machen kann. Aber zum
Glück sind wir alle verschieden und jeder sollte sein Kind so erziehen wie er oder sie es für richtig hält.
Diana says
Danke für diesen tollen Text! Du spricht mir sowas von aus der Seele! Ich habe zwei süße Mädels und ich liebe es auch, sie zu küssen und mit ihnen zu kuscheln. Und sie lieben es auch! Und mit meinen 34 Jahren gebe ich meiner Mama und meinem Papa immer noch ein Bussi auf den Mund! Das ist doch bitte das normalste auf der Welt!!!
Steffi says
Liebe Pazi,
mir ging es ähnlich. Vor allem habe ich persönlich die Problematik an der Sache gar nicht gesehen. In meinen Augen ist es sogar sehr schön wenn Menschen Liebe und Zuneigung zeigen können – egal ob Mama, Papa,Opa oder Oma gegenüber! Seit ich denken kann drücke ich meiner Mama oder Oma einen Schmatzer auf wenn mir danach ist – das hat sich auch mit meinen 31 noch nicht geändert! Manche Menschen haben offensichtlich kein anderen Probleme! 😔